Handreichung zur Gartenbegehung
Naturnah gestaltete und ökologische bewirtschaftete Kleingärten sind für die biologische Vielfalt besonders wertvoll. Sie können auf den ersten Blick chaotisch wirken, wenn man es mit dem klassischen Bild eines Kleingartens vergleicht. Beim zweiten Online-Bildungs- und Vernetzungstreffen am 19.06.2024 stellte Gartenfachberaterin Elisabeth Schwab eine Handreichung für die Gartenbegehung vor. Sie gibt Anregungen, wie man zwischen naturnahen und ungepflegten Kleingärten unterscheidet.
Naturnah oder ungepflegt?
Text: Elisabeth Schwab, Gartenfachberaterin KGA „Rathaus Treptow“, Bezirksverband Treptow, Berlin
Die Idee zur Handreichung „Naturnah oder ungepflegt? – Eine Handreichung für die Gartenbegehung“ ist im Spannungsfeld zwischen „herkömmlich“ und naturnah Gärtnernden entstanden. Dieses verstärkt sich zunehmend durch Generationenwechsel und eine Änderung der Auffassung von guter gärtnerischer Praxis. In diesem Spannungsfeld wird hochemotional diskutiert und bewertet. Um der Diskussion die Spannung zu nehmen und von der emotionalen Bewertung zur sachlichen Argumentation zu kommen, wurde diese Handreichung zusammengestellt.
Sie wurde gemeinsam verfasst von Kimberley Hofer (Bezirksgartenfachberaterin, Bezirk Süden, Berlin) und Dipl. Ing. Elisabeth Schwab. Die Handreichung ist nach verschiedenen Aspekten sortiert und stellt Situationen in naturnahen sowie ungepflegten Gärten direkt gegenüber. Außerdem haben wir fünf sichere Erkennungszeichen von ungepflegten Gärten zusammengetragen.
Was möchte diese Handreichung?
- Die Bewertungsfähigkeit der Begehenden schärfen;
- Anregen genau hinzusehen, statt schnelle und oberflächliche Urteile zu fällen;
- Fehleinschätzungen und Auflagen zu Ungunsten von naturnah Gärtnernden vermeiden;
- Begehende befähigen, bei der Gartenbegehung Ausreden von nicht naturnah Gärtnernden entgegenzutreten;
- Eine innerverbandliche Diskussion voranbringen.
Was ist diese Handreichung nicht?
- Checkliste mit einer Punkteskala, um den Ungepflegtheitsgrad oder die Naturnähe zu ermitteln;
- Katalog zur Identifizierung ökologischer Module (Kleinstbiotope);
- Textvorlage für Ausreden und Scheinbehauptungen nicht naturnah Gärtnernder.
Was ist erforderlich bei einer Gartenbegehung mit dieser Handreichung?
- Die Anwesenheit der Pächterin oder des Pächters, um gezielte Fragen zu stellen (z.B. nach gärtnerischem Konzept, nach einzelnen Pflanzen etc.);
- Genaues Hinsehen und Beobachten (z.B. Kompost, Gehölzaufwuchs);
- Personen, die eine Begehung durchführen, sollten ökologische Module (Kleinstbiotope) und gängige Konzepte des naturnahen Gärtnerns z.B. Permakultur kennen und erkennen bzw. bei Zweifeln nachfragen sowie
- alternative Anbaumethoden (z.B. “no dig”) und ungewöhnliche Gemüsepflanzen (z.B. Postelein, Neuseeländer und Malabarspinat, Gartenmelde) erkennen oder erfragen.
Wie können Gartenfachberaterinnen und Gartenfachberater biodiversitätsfreundliche Ansätze fördern?
- Zu mehr Gelassenheit aufrufen (schont die Nerven und dient dem Koloniefrieden)
- Anregen, im Kleinen zu beginnen und sich auf etwas Neues einzulassen zum Beispiel eine Königskerze wachsen lassen, um die hübsche Raupe des Königskerzenmönchs beobachten zu können.
- Neugärtnerinnen und Neugärtner gleich zu Beginn mit einer Willkommensmappe begrüßen, in der auch Informationen zu naturnahem Gärtnern enthalten sind wie beispielsweise die 11 schnellen Tipps des Projektes “Kleingärten für Biologische Vielfalt”
- Schwerpunkt der gartenfachlichen Beratung auf Gartenfreundinnen und -freunde legen, die bereit sind biodiversitätsfreundlich zu gärtnern. Fehlschläge können so vermieden werden, denn gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Misserfolge können dazu führen, dass es aussieht, als würde naturnahes Gärtnern nicht funktionieren.
- Auf die Positionen der jeweiligen Bezirks- und Landesverbände sowie des Bundesverbandes im Zusammenhang mit naturnahem und biodiversitätsfreundlichem Gärtnern hinweisen. Diese Positionen stärken den Rücken der Gartenfachberatung bei der Arbeit vor Ort und führen zu mehr Akzeptanz naturnaher Methoden bei dem einen oder der anderen in der Kleingartenanlage.
Was können naturnah Gärtnernde tun für mehr Akzeptanz?
- Rücksicht auf Nachbarinnen und Nachbarn nehmen und Polarisierung vermeiden. Beschwert sich eine Gartenfreundin über den Giersch, der durch den Zaun wächst, ist die Antwort “Giersch kann man doch essen!” taktisch ungeschickt, obwohl sachlich richtig. Besser wäre den Zaunbereich gierschfrei zu halten und der Nachbarin zum Probieren eine leckeres Stück Giersch-Quiche über den Zaun zu reichen.
- Parzellengrenzen im Auge behalten. Dies gilt vor allem für Kletterpflanzen, die in hinteren Ecken über die Parzellengrenze wachsen und dort zu Ärger führen. Hilfreich ist auch, einen Pfad entlang des Zauns anzulegen. Dies verhindert das Hinüberwachsen und erleichtert die Beetpflege von der Rückseite.
- Naturnahes Gärtnern in der Anlage sichtbar machen durch Öffnung der Gärten, Angebot von Führungen, aktive Mitarbeit am Vereinsleben und vieles mehr.
Weiterführende Infos
Download der Handreichung „Naturnah oder ungepflegt“ auf der Seite des Bezirksverbandes Berlin Süden der Kleingärtner e.V. unter Merkblätter der Gartenfachberatung.