Text & Titelbild: Carolin Engwert
Gemüse ist nicht nur gesund, sondern kann auch ein echter Hingucker sein – sowohl auf dem Teller als auch im Gemüsebeet! Statt der üblichen Supermarktsorten, kannst du im Garten eine unglaubliche Vielfalt an Farben, Formen und Geschmäckern kultivieren. Diese ist nicht nur eine Bereicherung für den Speiseplan, sondern auch ein wichtiger Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt.
Warum Sortenvielfalt wichtig ist
Jede Gemüsesorte bringt ganz eigene Eigenschaften mit. Einige Sorten sind besonders resistent gegen Krankheiten, andere kommen mit wenig Wasser aus oder gedeihen auch auf weniger nährstoffreichen Böden. Indem du auf Vielfalt setzt, machst du deinen Garten widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse. Gleichzeitig unterstützt du zahlreiche Insekten und andere Tiere, die auf bestimmte Pflanzen als Nahrungsquelle oder Lebensraum angewiesen sind. Die Vorteile beschränken sich aber nicht nur auf deinen Garten. Vielfalt sorgt auch für eine höhere Widerstandsfähigkeit des gesamten Ökosystems.
Begriffsklärung: „Arten“ und „Sorten“
Eine Art (z. B. ‚Malus domestica‘ für den Kulturapfel) ist die grundlegende biologische Einheit, die durch gemeinsame Merkmale und Fortpflanzungsfähigkeit definiert wird. Eine Sorte hingegen ist eine vom Menschen gezüchtete oder ausgewählte Untergruppe innerhalb einer Art, die bestimmte Eigenschaften aufweist, wie Fruchtgröße, Farbe oder Geschmack (z. B. ‚Boskop‘ oder ‚Gala‘ als Apfelsorte). Während Arten in der Natur entstehen, sind Sorten das Ergebnis menschlicher Eingriffe durch Züchtung oder Selektion.
Alte Sorten bewahren
Als „Alte Sorten“ bezeichnet man Gemüsesorten, die seit vielen Generationen kultiviert werden und oft von regionaler Bedeutung sind. Leider sind viele von ihnen fast verschwunden, weil sie durch moderne Hybridsorten verdrängt wurden. Hybridsorten werden gezielt gezüchtet, um bestimmte Eigenschaften wie Ertrag, Uniformität, Resistenzen oder lange Lagerfähigkeit zu fördern. Das klingt praktisch, aber Hybriden können oft kein Saatgut für die nächste Generation liefern, da ihre Eigenschaften nicht stabil weitervererbt werden. Du erkennst sie an der Zusatzbezeichnung F1 auf dem Samentütchen. Alte Sorten hingegen haben viel zu bieten: Sie sind oft robuster und besonders aromatisch.
Ein wissenschaftlicher Fakt: Laut einer Studie der Welternährungsorganisation FAO sind in den letzten 100 Jahren etwa 75 % der landwirtschaftlichen Vielfalt weltweit verloren gegangen. Die Förderung und der Anbau alter Sorten sind daher nicht nur ein Hobby, sondern auch ein Beitrag zur Erhaltung unserer kulturellen und genetischen Vielfalt.
Regionalsorten: Vielfalt mit Heimatbezug
Ein besonderer Schatz innerhalb der Sortenvielfalt sind die sogenannten Regionalsorten. Diese sind seit Jahrhunderten in bestimmten Regionen heimisch und haben sich optimal an die dortigen klimatischen und bodenbezogenen Bedingungen angepasst. Dadurch benötigen sie oft weniger Pflege, sind widerstandsfähiger und liefern selbst unter schwierigen Bedingungen zuverlässige Erträge. Beispiele für solche Sorten sind die „Alblinse“ von der Schwäbischen Alb oder die Gurke „Berliner Aal“. Mit dem Anbau von Regionalsorten trägst Du nicht nur zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei, sondern auch zur Förderung des kulturellen Erbes. Einige dieser Sorten stehen sogar auf der Roten Liste der bedrohten Kulturpflanzen und benötigen gezielte Förderung, um langfristig erhalten zu bleiben.
Tipps für den Einstieg
Experimentieren: Trau dich, mal etwas Neues auszuprobieren! Wie wäre es mit lila Blumenkohl, gestreiften Tomaten („Tigerella“) oder gelben Rüben?
Saatgut auswählen: Informiere dich über Sorten, die für deinen Standort geeignet sind. Alte Sorten findest du bei Saatgutbörsen, bei spezialisierten Anbietern wie „Arche Noah“ oder „Dreschflegel“ oder beim Tausch mit Gartennachbarn.
Blühen lassen: Lasse einige der kräftigsten Pflanzen blühen, z.B. bei Möhren, Radieschen oder Salat. Das lockt Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge an und ermöglicht dir, eigenes Saatgut zu gewinnen.
Wusstest Du schon?
Gemüsevielfalt ist auch ein Schlüssel zur Ernährungssicherheit. Weltweit sind etwa 75 % der globalen Nahrungsmittelproduktion auf nur zwölf Pflanzenarten angewiesen. Diese Abhängigkeit macht uns anfällig für Ernteausfälle und weniger resilient gegenüber Klimaveränderungen.
Wie du siehst, ist Sortenvielfalt viel mehr als eine ästhetische Entscheidung. Sie ist ein wichtiger Baustein für Ernährungssicherheit, Umweltschutz und die Freude an der Gartenarbeit. Werde also Teil dieser bunten Bewegung – dein Garten und die Natur werden es dir danken!
Bezugsquellen für alte Sorten
Im Folgenden findest Du Vereine und Initiativen, die sich für den Erhalt alter und besonderer Sorten einsetzen, bei denen Du auch Saatgut beziehen kannst:
Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e.V. * Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.V. * grünerTiger * ARCHE NOAH * Genbänkle * ProSpecieRara
Weitere Infos
1. Verlust genetischer Vielfalt: Laut der FAO ging von 1900 bis 2000 etwa 75 % der landwirtschaftlichen Pflanzenvielfalt verloren. Diese Entwicklung gefährdet die globale Ernährungssicherheit, da viele traditionelle Sorten durch ertragreichere, aber weniger vielfältige Varianten ersetzt wurden. Dies und andere Fakten hier.
2. Open Source Saatgut als Beitrag zur Sortenvielfalt: Saatgut wird heute nicht mehr vom Bauern selbst gezüchtet, sondern von Unternehmen, die ihre Produkte patentieren lassen. Die Lizenzen sind teuer, die Nutzung ist restriktiv. Mehrere Initiativen versuchen jetzt die Züchtung mit einem Ansatz aus der Softwareentwicklung neu zu organisieren.
3. Fallbeispiel Bestäubung: Vielfalt der Blüte sichert Vielfalt auf dem Tisch
4. Sortenvielfalt bei Bohnen: eine Auswahl von 120 Bohnensorten kannst Du Dir vor Ort in Berlin im Bundeszentrum in der BKD-Ausstellung „Stadt | Natur | Mensch“ anschauen.